Bundespräsident besucht Spitzencluster it‘s OWL
Wie verändert die Digitalisierung Wirtschaft und Gesellschaft? Praxisnahe Einblicke erhielt Bundespräsident Joachim Gauck am Dienstag bei seinem Besuch des Spitzenclusters it´s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe. Bei Phoenix Contact in Blomberg und in der Fraunhofer-Einrichtung für Entwurfstechnik Mechatronik in Paderborn konnte er sich überzeugen, wie neue Technologien Produktionsverfahren optimieren und Beschäftigte entlasten.
Digitalisierung verantwortungsvoll für Wertschöpfung und gute Arbeit nutzen
Gespräche mit Unternehmern, Wissenschaftlern, Gewerkschaften und Beschäftigten zeigten, welche Chancen die Digitalisierung für die Arbeitswelt der Zukunft bietet – aber auch welche Herausforderungen bestehen. Nach einem Rundgang durch das größte Computermuseum der Welt tauschte sich Joachim Gauck beim abschließenden Empfang im Heinz Nixdorf MuseumsForum mit Bürgerinnen und Bürgern aus, die sich im Bildungsbereich und im Ehrenamt engagieren.
Prof. Dr.-Ing Jürgen Gausemeier, Vorsitzender des Clusterboards von it´s OWL erläutert: „Industrie 4.0 ist der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit von Produktion am Standort Deutschland. Unsere Lösungen zeigen, wie Unternehmen ihre Produktivität steigern, Arbeitsplätze schaffen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Somit leisten wir einen wichtigen Beitrag für Wertschöpfung und Beschäftigung. Der Besuch des Bundespräsidenten ist eine große Anerkennung unserer Aktivitäten und unterstreicht die Vorreiterstellung von it`s OWL in Deutschland.“
Wandlungsfähige Maschinen für individuelle Produkte
Ansätze für die intelligente Produktion konnte Joachim Gauck bei Phoenix Contact erleben. So ermöglicht beispielsweise eine integrierte Produktionslinie die vollständig automatisierte Herstellung von Kabeln für die Anbindung von Sensoren und Motoren an die Maschinensteuerung. Das Kabel wird gewickelt, gebunden und abisoliert, bevor die Einzelteile der Stecker montiert werden. Abschließend wird der Steckerkopf mit Kunststoff umspritzt. Die Kabel müssen in vielen unterschiedlichen Varianten gefertigt werden. Einzelne Produktparameter wie die Kabellänge oder die Ausführung des Steckerkopfes können durch die Kunden per Internet individuell konfiguriert werden.
Roland Bent, Geschäftsführer Phoenix Contact erläutert: „Durch einen hohen Automatisierungsgrad und eine intelligente Steuerung können wir individuelle Kundenwünsche erfüllen und gleichzeitig wirtschaftlich fertigen. Um solche hoch komplexen Fertigungsanlagen zu entwickeln und zu betreiben, reichen klassische Ausbildungsprofile nicht mehr aus. Stattdessen müssen wir immer interdisziplinärer arbeiten.“
Wie virtuelle und reale Welt zusammenwachsen, präsentierte Roland Bent an einer modularen Produktionslinie zur Herstellung von formgebenden Bauteilen für die Kunststoffverarbeitung. Das Werkstück durchläuft mittels eines RFID-Chips selbststeuernd alle Stationen des Fertigungsprozesses. Die erforderlichen Prozessdaten werden über eine zentrale, von Phoenix Contact entwickelte Softwarelösung automatisch an die Maschine übergeben. Ein Soll/Ist-Abgleich korrigiert fehlerhafte Bauteile frühzeitig oder sortiert sie aus. Durch die automatisierte Prozesskette können die Durchlaufzeit um 30% reduziert und die Auslastung um 20% gesteigert werden. Störungen an der Maschine werden per SMS oder Mail an den Bediener gemeldet werden, der im Bedarfsfall von zu Hause aus eingreifen kann.
Entwicklungsarbeit mit Augmented Reality
Die steigende Komplexität von Maschinen und Anlagen stellt neue Anforderungen an die Entwicklungsarbeit. Diese war Schwerpunkt des zweiten Programmpunkts in der Fraunhofer-Einrichtung für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM). Dr.-Ing. Roman Dumitrescu, Geschäftsführer it´s OWL Clustermanagement GmbH und Direktor am Fraunhofer IEM, erläutert: „Ingenieure entwickeln in weltweit verteilten Teams gemeinsam neue Produkte und Produktionsverfahren. Durch digitale Technologien können bisher getrennte Unternehmensbereiche wie Vertrieb, Service oder Entwicklung effizienter zusammenarbeiten.“
Ein Beispiel für eine neue Technologie ist Augmented Reality. Dadurch können digitale Zusatzinformationen als virtuelle Objekte, Bilder oder Videos über eine Datenbrille in das Sichtfeld des Nutzers eingeblendet werden. So können beispielsweise Unternehmen noch vor Beginn der Fertigung ein neues Produkt virtuell testen und notwendige Änderungen diskutieren – in der realen Umgebung, in der das Produkt später eingesetzt wird. Wie die Technologie funktioniert, erlebte der Bundespräsident im Systems Engineering Live Lab des Fraunhofer IEM am Beispiel einer modellhaften Industriezentrifuge, die für die Produktion von Milch oder Apfelsaft eingesetzt wird. Mit einer Datenbrille konnte er die Entwürfe der neuen Zentrifuge direkt am Einsatzort betrachten.
Mensch und Maschine in der Arbeitswelt der Zukunft
Auch in allen anderen Unternehmensbereichen verändern Informations- und Kommunikationstechnologien die Arbeitswelt. So werden beispielsweise in der Produktion Tablets zur Unterstützung der Arbeitsabläufe oder Assistenzsysteme für komplexe Montagevorgänge eingesetzt. Mit der zunehmenden Digitalisierung rücken die sozialen Aspekte der Arbeitsgestaltung in den Vordergrund. Wie werden sich Arbeitsplätze verändern? Wie müssen Beschäftigte qualifiziert werden? Und wie können Unternehmen und Beschäftigte den Veränderungsprozess gemeinsam angehen?
In diesem Spannungsfeld setzt das it‘s OWL Projekt „Arbeit 4.0 – Arbeiten in der digitalen Welt“ an, das im Januar 2016 gestartet wurde. Auf Grundlage von praktischen Erfahrungen werden Handlungsempfehlungen für Unternehmen entwickelt, um den Wandel der Arbeitswelt aktiv zu gestalten. Dazu wurden in sechs Unternehmen Modellprojekte gestartet, in denen Unternehmensspitze, Produktionsleitung, Personalabteilung, Beschäftigte, Betriebsrat und Gewerkschaften zusammenarbeiten. Beteiligt sind die Unternehmen Hanning, Hettich, Miele, Phoenix Contact, Weidmüller und Diebold Nixdorf. Inhaltlich geht es beispielsweise um den Einsatz von Assistenzsystemen, interaktive Robotik und Technologieakzeptanz.
Vertreter aus Industrie, Forschung, Gewerkschaften, Betriebsräten und Spitzencluster diskutierten mit dem Bundespräsidenten, welche Perspektiven und Herausforderungen sie sehen und welche Erfahrungen sie bisher in den Projekten machen. Dabei wurde deutlich, dass die Digitalisierung als Chance für mehr und bessere Arbeitsplätze gesehen wird. Voraussetzung dafür sind ein verantwortungsvoller Umgang mit den Potenzialen der Digitalisierung und ein offener Dialog mit den Beschäftigten. Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch im Technologie-Netzwerk it´s OWL werden als großer Mehrwert gesehen.
Der Spitzencluster it´s OWL
Im Technologie-Netzwerk it´s OWL arbeiten über 180 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Organisationen zusammen. In 47 Projekten entwickeln sie Ansätze und Lösungen für intelligente Produkte und Produktionsverfahren. Das Spektrum reicht von Automatisierungs- und Antriebslösungen über Maschinen, Fahrzeuge und Geräte bis zu vernetzten Produktionsanlagen. Über ein innovatives Transferkonzept werden neue Technologien für kleine und mittlere Unternehmen verfügbar gemacht. Ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gilt it´s OWL als eine der größten Initiativen für Industrie 4.0 in Deutschland.
it´s OWL leistet einen wichtigen Beitrag für Wertschöpfung und Beschäftigung in OstWestfalenLippe. Seit dem Start des Technologie-Netzwerks in 2012 haben die Unternehmen 7.200 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Sechs Forschungseinrichtungen und 23 neue Studiengänge sind entstanden. Darüber hinaus wurden 25 Unternehmen gegründet und 24 Geschäftskonzepte entwickelt.
Weitere Infos findet man auch unter: www.its-owl.de und www.phoenixcontact.com
Quelle (Pressetext & Fotos): PHOENIX CONTACT GmbH & Co.KG / Corporate Communications – Blomberg