Neue Sonderausstellung im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake über den Reiz der Ruinen
Was für ein Multitalent! In ihm steckte nicht nur ein Architekt, Bühnenbildner und Zeichner, sondern auch ein begeisterter Archäologe, begnadeter Kupferstecher und Radierer. Er war fasziniert von antiken Gebäuden und setzte sie gekonnt in Szene. Die Rede ist von dem italienischen Künstler Giovanni Battista Piranesi. In diesem Jahr wäre er 300 Jahre alt geworden. Daher widmet ihm das Weserrenaissance-Museum Schloss Brake in Kooperation mit der Stiftung Ahlers Pro Arte, Herford, ab Sonntag, 4. Oktober 2020, eine Sonderausstellung mit dem Titel „Von der alten Herrlichkeit“.
So., 4. Oktober 2020, bis So., 10. Januar 2021, Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, Lemgo
Doch damit nicht genug, denn den 18 großformatigen Piranesi-Blättern stehen weltweit einzigartige Korkmodelle des Phelloplastikers Dieter Cöllen zur Seite. Diese zeigen ebenfalls antike Gebäude und bestechen durch ihr besonderes Material und ihre Präzision. Im Weserrenaissance-Museum werden die maßstabsgetreuen Nachbildungen auf Augenhöhe präsentiert. Flankiert werden die Kunstwerke von verschiedenen Mitmachstationen.
„Wir freuen uns sehr, dass wir zwei völlig verschiedene Kunstgattungen, die sich beide auf ihre ganz eigene Art mit dem Reiz der Ruinen von Rom und Paestum beschäftigen, in einer Ausstellung gegenüberstellen können“, sagt die Museumsdirektorin Dr. Vera Lüpkes. Zu sehen sind unter anderem der berühmte Rundtempel von Tivoli, die griechischen Tempel, die bis heute in Paestum zu bewundern sind, und viele andere antike Gebäude, die Jahrhunderte in Rom überdauert haben.
Dem Künstler Piranesi ging es darum, die verfallenden Zeugnisse der Zeit festzuhalten. Der Geschäftsmann Piranesi wollte den reichen Kultur- und Bildungsreisenden von damals ein Souvenir in Form einer Radierung verkaufen. Mit großem Erfolg.
Der Tourismus befand sich damals noch in den Kinderschuhen. Die Menschen sehnten sich nach den Schrecken des Siebenjährigen Krieges nach einer Art Tapetenwechsel. Venedig, Rom, Florenz waren bevorzugte Ziele. Auch Goethe zog es nach Italien – und er war begeistert. „Daher haben wir unsere Ausstellung ganz bewusst mit einem Zitat des bedeutenden Dichters und Denkers betitelt, nämlich „Von der alten Herrlichkeit““, verrät Museumsdirektorin Dr. Vera Lüpkes.
Auch Goethe, der 14 Monate durch Italien reiste, hat die detaillierten Zeichnungen Piranesis gekannt. Das Besondere daran: Die ursprüngliche Monumentalität der antiken Bauten kommt durch die Untersicht und durch die relativ kleinen dekorativen Staffagefiguren besonders gut zur Geltung. Piranesi stellte zeitlebens 1200 dieser „großformatigen Postkarten“ her.
Um die Schönheit und Proportionen der antiken Gebäude umfassend würdigen zu können, fragten Romreisende auch nach Architekturmodellen ihrer Sehnsuchtsorte. Der Neapolitaner Giovanni Altieri schuf 1767 das erste Modell, und zwar den vielbestaunten Rundtempel von Tivoli. Das erste Modell lockte Begehrlichkeiten und zog eine wahre europäische Modewelle nach sich.
Mitte des 19. Jahrhunderts ebbte sie ab. Die Modelle gerieten in Vergessenheit und verschwanden im Privatbesitz oder in den Depots öffentlicher Sammlungen. Erst mit der Neuaufstellung der Museumssammlungen Anfang des 20. Jahrhunderts werden die Korkmodell-Sammlungen wieder öffentlich gezeigt, so beispielsweise in Darmstadt, Kassel, Aschaffenburg und Gotha. Mittlerweile nutzen Archäologen diese Modelle für ihre Studien. Denn sie belegen den Zustand der antiken Ruinen von vor rund 300 Jahren ziemlich präzise.
Einen entscheidenden Impuls für das aufflammende Interesse an Korkmodellen setzte vor allem der aus Köln stammende „Ruinenbaumeister“ Dieter Cöllen. Der 67-jährige hat die Kunst der Phelloplastik des 18. Jahrhunderts wiederbelebt. Durch langjährige Recherchen beherrscht er heute als einziger diese scheinbar vergessene Kunst und konnte sie in Bezug auf ihre Dauerhaftigkeit sogar noch optimieren. 300 Jahre halten seine Modelle, an denen er bis zu einem Jahr arbeitet.
Cöllen übernahm bereits die Restaurierung historischer Korkmodelle für Museen und Sammler in Kooperation mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen. Inzwischen restauriert er aber nicht nur alte Modelle, sondern baut selber neue. Er rekonstruiert sogar zerstörte Monumente wie beispielsweise den Beltempel in Palmyra. Cöllens Werke sind weltweit in namhaften Museen und Galerien ausgestellt und dienen an vielen Universitäten zu Lehrzwecken.
„Die Korkmodelle von Dieter Cöllen sind echte Hingucker und wahre Publikumsmagnete, die auf alle Altersgruppen wirken“, sagt Museumsdirektorin Dr. Vera Lüpkes. Am Sonntag, 4. Oktober, dem Eröffnungstag der Ausstellung, können die Besucher Dieter Cöllen sogar um 11 Uhr und 15 Uhr bei der Arbeit über die Schulter schauen. Darüber hinaus ist der gelernte Bauzeichner am Sonntag, 22. November, um 15 Uhr zu Gast im Weserrenaissance-Museum und gewährt Einblicke in den Entstehungsprozess seiner Modelle. „Kork kann sehr schön den Verfall darstellen. Und der Verfall erzählt Geschichten“, umschreibt Cöllen seine Begeisterung für das Material.
Passend zur Sonderausstellung sind weitere Veranstaltungen und Vorträge geplant. Außerdem gibt es museumspädagogische Programme für Kindergärten und Schulen. Das Museum hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Nähere Informationen gibt es unter www.museum-schloss-brake.de.
Museumspädagogische Programme:
Für Kindergärten und Grundschulen: Mitmachprogramm zur Sonderausstellung
Eingesackt. Mögen die Spiele beginnen.
Die spielen, die Römer! Nicht nur ihre Sprache und Bauwerke sind noch heute weltbekannt, auch viele ihrer Spiele haben sich erhalten. Während einer kindgerechten Kurzführung durch die Ausstellung schauen wir uns antike Tempelanlagen inkl. Foto-Mitmachstation an. Der Brief eines römischen Jungen entführt euch in die Lebenswelt der Kinder von damals. Außerdem bauen wir ein römisches Rundmühlespiel zum Mitnehmen nach. Mögen die Spiele beginnen. Dauer: 1 h / Anmeldung: 05261/94500 Eintritt: Kinder und Jugendliche, Erzieher und Lehrer frei!
Ab 5. Klasse: Mitmachprogramm zur Sonderausstellung
Aufgetürmt. Möge der Bau gelingen.
Was wäre die Welt ohne Asterix und Obelix? Undenkbar. Gleiches gilt für die Tempelanlagen der Römer. Viele Baumeister ließen sich später davon inspirieren, die Weserrenaissance ist der beste Beweis dafür. Während einer kurzweiligen Führung durch die Ausstellung sind wir den Einflüssen der Römer auf ihre Nachwelt auf der Spur und packen bei einem Aktionsspiel mit dem Fröbelturm gemeinsam an. Beim Aufbau eines Turmes hieß es nämlich schon damals: Viele Hände – ein schnelles Ende. Dauer: 1 Stunde / Anmeldung: 05261/94500 Eintritt: Kinder und Jugendliche, Erzieher und Lehrer frei!
Bericht / Fotos: Weserrenaissance-Museum Schloss Brake & Andreas Leber (www.DerLemgoer.de)